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Ist Ihre Arbeit wichtig?

Q&A

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Wer würde darunter leiden, wenn es Ihre Stelle nicht gäbe? Laut Adam Grant ist das die Frage, die Ihrer Arbeit einen Sinn verleiht. Grant ist Organisationspsychologe, Autor und Moderator der TED WorkLife Podcasts. Er beschäftigt sich hauptsächlich damit, wie man es schafft, dass Arbeit „nicht ätzend“ ist. Grant arbeitet mit zahlreichen Unternehmen und sogar Astronauten zusammen und sucht ständig nach neuen Impulsen für die traditionelle Büroumgebung. Er erläutert dem 360°-Team, wie Vertrauen entsteht und wie man Sinn in seiner Arbeit finden kann.

360: Man hat den Eindruck, dass sich zur Zeit alles um die Sinnsuche bei der Arbeit dreht. Wieso ist das Thema so wichtig?

Adam Grant: Es hat sich gezeigt, dass man seine Stelle dann als bedeutsam empfindet, wenn man das Gefühl hat, dass die eigene Arbeit anderen Menschen zugutekommt. Menschen empfinden ein Gefühl der Sinnhaftigkeit, wenn es einen Unterschied macht, ob es ihre Arbeitsstelle gibt und wenn es andere Menschen schwerer hätten ohne diese Arbeit. Seit den frühen 1970ern werden Arbeitnehmer befragt, welche Merkmale einer Arbeitsstelle Ihnen besonders wichtig sind. Dabei kristallisierte sich eins heraus: egal ob in den 1970ern, 80ern oder den 2000ern – einer sinnhaften Arbeit nachzugehen, stand für die Angestellten immer an oberster Stelle.

360: Innovative Teams müssen bereit sein zu scheitern. Das erfordert Vertrauen. Aber viele Unternehmen gehen das Thema Vertrauensbildung falsch an. Was läuft da schief?

AG: Ich hatte einmal die Gelegenheit, mich mit der Besatzung der Internationalen Raumstation und den Experten, die sie auf ihren Einsatz im All vorbereiteten, zu unterhalten. Alle sagten das Gleiche: Bei Vertrauen geht es nicht darum, wie sehr man sein Team mag. Es geht darum, dass man sich auf seine Mannschaft verlassen kann. Man muss nicht unbedingt viel gemeinsam haben, aus derselben Gegend kommen oder an die gleichen Dinge glauben, solange man sich darauf verlassen kann, dass der andere seine Arbeit gut macht und meine Interessen oder Mission mit berücksichtigt.

Im Fall der Raumfahrer kam noch dazu, dass diese eigentlich sogar Feinde waren. Die Amerikaner flogen ja zu einer russischen Raumstation. Sowohl die Astronauten als auch die Kosmonauten hatten gedient und im kalten Krieg auf entgegengesetzten Seiten gestanden. Jetzt sollten sie zusammen leben, arbeiten und einander vertrauen. Vertrauen entsteht in so einer Situation nur aus der Eindeutigkeit des Auftrags. Es speist sich aus dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es entwickelt sich, wenn man sich verletzlich zeigen und damit ein Risiko eingehen muss und sich dann bestätigt, dass man sich auf den anderen verlassen kann.

360: Machen Unternehmen Dinge, bei denen Ihnen klar ist: „Das wird nicht funktionieren?“’

AG: Ich finde es absurd, wie viele Teambildungsmaßnahmen die Mitarbeiter ständig absolvieren müssen. Dabei kratzt man damit doch nur an der Oberfläche. Ständig gibt’s ein Tischtennisturnier, eine Party oder eine Afterwork Session. Das Problem ist nur, dass sich die Leute bei so einem Event nicht wirklich aufeinander einlassen. Sie verbringen dort Zeit mit Leuten, die sie sowieso schon kennen und die ihnen ähnlich sind. Im einem solchen Rahmen können sie auch keine Herausforderungen gemeinsam meistern. Wie sollen sie denn bitte dabei lernen, einander zu vertrauen – da geht’s nur um Spaß und gute Laune.

Wenn Sie Ihre Mitarbeiter überwachen müssen, haben Sie als Führungskraft versagt, denn Ihre Angestellten sollten ihre Arbeit bedeutsam finden.

360: Wenn das der falsche Weg ist – wie lässt sich Vertrauen dann aufbauen?

AG: Vertrauen entsteht, wenn’s mal überhaupt keinen Spaß macht. Anstatt etwas Einfaches zu machen, das keinerlei Konsequenzen hat, sollte man in der Gruppe wirklich wichtige, schwerwiegende Probleme lösen. Dabei baut sich ein Vertrauensverhältnis auf. Es zeigt sich, wer Charakterstärke besitzt. Wenn man gemeinsam eine Erfahrung macht, die nicht unbedingt angenehm ist, sieht man, wie die Leute wirklich sind. Und das passiert eben dann, wenn man gemeinsam etwas auf die Beine stellt oder ein Problem löst.

360: Wie beeinflusst die Arbeitsumgebung die Mitarbeiter?

AG: Das Arbeitsplatzdesign ist immens wichtig, wenn es um Hierarchie-Botschaften geht. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen – aber wenn ich ein Unternehmen leiten würde, hätte ich keine Lust, mich in meinem Eckbüro abzuschotten. Ich wäre gerne mittendrin – direkt am Puls des Unternehmens. Wenn man ein Unternehmen mit klassischer Führungsetage betritt, steht man vor lauter Türen zu Einzelbüros. Wo finde ich da jemanden, der eine meiner Ideen in die Tat umsetzen kann?

Das heißt aber nicht, dass ich ein großer Fan von offenen Büroflächen bin. Die sind für Introvertierte verheerend. Es braucht eine gesunde Mischung. Unsere Führungskräfte sollten prinzipiell in denselben Bereichen arbeiten, wie alle anderen. Aber jeder Einzelne sollte auch die Möglichkeit haben, mal die Tür hinter sich zu schließen und ganz in Ruhe zu arbeiten.

360: Einerseits möchten Mitarbeiter an unterschiedlichen Orten arbeiten, andererseits wollen Unternehmen, dass sie große und verzwickte Probleme im Team angehen. Wie geht man mit dem Widerspruch um?

AG: Ausgewogenheit ist das Schlüsselwort. Es gibt eine Metaanalyse aller Untersuchungen, die sich mit dem Einfluss von Telearbeit befassen. Das Ergebnis zeigt: Solange die Angestellten einen Teil der Woche miteinander verbringen, funktioniert es sehr gut, wenn sie den Rest der Woche unabhängig von zu Hause aus arbeiten. Ab und zu fragt eine Führungskraft: ‚Wie überwache ich sie dann? Wie stelle ich sicher, dass sie arbeiten?‘ Meine Antwort lautet: ‚Wenn Sie Ihre Mitarbeiter überwachen müssen, haben Sie als Führungskraft versagt, denn Ihre Angestellten sollten ihre Arbeit bedeutsam und motivierend genug finden, um sie ganz von alleine zu machen.‘

360: Denken Sie an die vielen Firmen, mit denen Sie gearbeitet haben – was hat Sie überrascht?

AG: Eine der größten Überraschungen hat mit Status zu tun. Ganz allgemein sind die Menschen, denen Status besonders wichtig ist, auch die, die sich ihres eigenen Status am wenigsten sicher sind. Das Eckbüro ist eben kein Hinweis darauf, dass man Status erreicht hat. Es ist ein Signal dafür, dass man verzweifelt auf der Suche nach Status ist. Wer Status hat, sucht ihn nicht. Ich sehe das auch in meinem akademischen Umfeld, wenn ein Dozent darauf besteht, dass die Studenten ihn Professor So-Und-So nennen, anstatt ihn mit seinem Vornamen anzusprechen. Warum braucht man diesen Titel, um Status zu demonstrieren? Wieso sorgt man nicht dafür, dass man ihn durch Respekt erhält. Wir sollten miteinander auf persönlicher Ebene reden, anstatt diese seltsame professionelle Distanz zu schaffen, die Leute auf ein Podest stellt, die da gar nichts verloren haben.

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