Bolia: Design für alle Sinne Interview mit dem CEO
Zu Hause und am Arbeitsplatz: Wie die dänische Firma frisches skandinavisches Design zum Kunden bringt
Lars Lyse Hansen, CEO von Bolia.com International, als interessante Person zu beschreiben, wäre eine Untertreibung. Der experimentierfreudige, bergsteigende, musizierende und durch und durch digitale Unternehmenschef steht bereits in der zweiten Dekade an der Spitze der prämierten dänischen Möbeldesignfirma. Bolia.com steht für skandinavische Designtraditionen, nachhaltige Materialien und hochwertige Handwerkskunst. Bekannt ist das Unternehmen auch für seine entschieden in die Zukunft weisende, genuin digitale Mentalität und seine Philosophie eines ganzheitlichen Kundenerlebnisses, das alle Sinne anspricht: Denken, Fühlen, Hören, Riechen, Sehen, sogar Schmecken.
Erst kürzlich erweiterte Bolia.com seine Partnerschaft mit Steelcase um eine kuratierte Kollektion seiner skandinavischen Möbeldesigns für den Arbeitsplatz, die in Amerika und Europa angeboten wird. 360 besuchte Lyse Hansen in Dänemark, wo er mit seiner Frau und den drei Kindern lebt. Im Interview erläutert er, was hinter dem einzigartigen Kundenerlebnis von Bolia.com steckt.
360: Sie sind tief im skandinavischen Design mit seiner warmen, edlen und komfortablen Ästhetik verwurzelt. Wie würden Sie Ihr Designethos beschreiben?
Lars Lyse Hansen: Unsere Arbeit ist tief in der stolzen, über ein Jahrhundert alten Handwerkstradition Dänemarks verwurzelt. Wir legen Schönheit, Design, Nachhaltigkeit, Funktionalität und Handwerkskunst in alles, was wir tun. Kurzum, es geht uns um Qualität und um Lebensqualität. Für uns hat also die Qualität eines Produkts höchste Priorität. Natürlich soll es dann auch noch Spaß machen, es zu benutzen und anzusehen.
Außerdem ist es uns wichtig, frischen Wind in das skandinavische Design zu bringen. Wenn man seinen Sitz in Skandinavien hat und von nordischem Design umgeben ist, wird man schnell betriebsblind. Daher laden wir Designer aus aller Welt ein, mit uns zusammenzuarbeiten. Für uns ist es sehr spannend zu sehen, wie beispielsweise ein japanisches Designduo das skandinavische Design weiterentwickelt.

360: Was hat sich verändert in Ihren knapp 15 Jahren als CEO von Bolia?
LLH: Bolia wurde 2000 gegründet. Ich kam 2005 ins Unternehmen. Damals arbeiteten zehn Personen in der Zentrale und es herrschte eine sehr unternehmerische Kultur. Was sich nicht verändert hat, ist das webbasierte Verkaufskonzept von Bolia: Unser Point-of-Sale-System ist online. Egal, ob wir unsere Produkte in einem physischen Store, online oder über unsere Händler verkaufen: Alle Transaktionen erfolgen über dieselbe webbasierte Plattform. Außerdem werden unsere Möbel auf Bestellung produziert. Daher sind wir extrem flexibel.
Außer der Verkaufsplattform ist heute bei Bolia nichts mehr, wie es damals war. Denn 2005 haben wir entschieden, eine Designfirma zu werden. Vorher waren wir eher ein Tech-Unternehmen. Wir begannen also, mit Designern zusammenzuarbeiten und unsere Stores und Ateliers weiterzuentwickeln. Außerdem expandierten wir stark. Heute gibt es 58 Bolia Design-Stores und Webshops in 32 europäischen Ländern und über 500 Händler in mehr als 50 Ländern auf der ganzen Welt. Obwohl wir stark gewachsen sind, fühlt sich Bolia immer noch wie ein kleines Unternehmen an und wir treffen schnelle Entscheidungen. In unserer Unternehmenskultur gibt es keine unumstößlichen Wahrheiten, alles ist in Bewegung: unser Konzept, unser Geschäft, und auch wir selbst als Personen. Das ist eine unserer Stärken.

360: Im Oktober letzten Jahres haben Sie gemeinsam mit Ihrem Sohn den Fuji in Japan bestiegen. Was motiviert Sie zu solchen sportlichen Höchstleistungen?
LLH: Mit dem Bergsteigen begann ich 2009 während der Finanzkrise. Ich musste meinen Kopf wieder frei bekommen. Damals bestieg ich den Kilimandscharo. Als ich wieder nach Hause kam, sagte meine Frau, ich sei ein besserer Mensch geworden. Ich war begeistert und wollte mehr: mehr Abenteuer, neue Kulturen, einfach die Welt sehen. Heute gehe ich einmal im Jahr in die Berge. Ich möchte herausfinden, wo meine Grenzen sind. Durch die Entbehrungen, die das Bergsteigen mit sich bringt, gewinnen die kleinen Dinge des Lebens wieder an Wert. Es ist wie ein Neustart.

360: Das ganzheitliche Kundenerlebnis von Bolia ist einzigartig. In seinen Stores präsentiert Bolia nicht nur seine formschönen Designmöbel, sondern setzt zugleich auf maßgeschneiderte Düfte, sorgsam ausgewählte Musik, Biokaffee und Bioschokolade. Warum ist es so wichtig, alle Sinne anzusprechen?
LLH: Der Mensch hat fünf Sinne. Wenn Sie wirklich sichergehen möchten, dass der Kunde die Marke so wahrnimmt, wie Sie sich das wünschen, dann müssen Sie sich einige wirklich eigenartige Fragen stellen: „Wie klingt meine Marke? Wie schmeckt sie? Wie riecht sie? Wie fühlt sie sich an?“ Das haben wir durchexerziert und daraus den Klang, das Gefühl, den Duft unserer Marke entwickelt. Heute arbeiten wir im Grunde in allen Bereichen mit dem Konzept der fünf Sinne. Unsere physischen Stores präsentieren sich weniger als Verkaufsräume, sondern bieten den Menschen ein Umfeld, in dem sie sich entspannen und neugierig umschauen können. Unsere Musik stellen wir auf Plattformen wie Soundcloud und Spotify öffentlich zur Verfügung. Uns geht es darum, unser Markenerlebnis so glaubwürdig und ganzheitlich wie möglich zu gestalten – für jeden, der mit Bolia in Berührung kommt.
360: Ihre Partnerschaft mit Steelcase begann in Europa und hat sich kürzlich auf den amerikanischen Kontinent ausgedehnt. Was ist das Erfolgsgeheimnis dieser Partnerschaft?
LLH: Beide Unternehmen stellen die Qualität und den Menschen in den Mittelpunkt. Das eher formale, traditionelle Büro weicht immer mehr einer informellen, multifunktionalen Arbeitsumgebung. Ich denke, dass wir mit Designs von Steelcase und Bolia sozialere, entspannendere, angenehmere und schönere Arbeitsplätze schaffen können. Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Steelcase und Bolia aber auch Unterschiede, die einander jedoch perfekt ergänzen: Steelcase verfügt über großes Know-how in Bezug auf den Arbeitsplatz und die Menschen, die ihn nutzen. Wir haben breite Erfahrung im Wohndesign und wissen, wie man komfortable Interieurs zum Wohlfühlen schafft: eine explosive Mischung!

360: Sie arbeiten mit einem bunten Team begabter Designer zusammen – von jungen Talenten bis zu weltweit bekannten Namen. Wie unterstützen Sie junge Designer?
LLH: Seit 2007 laden wir junge Designer aus aller Welt ein, an den Bolia Design Awards teilzunehmen. Der Siegerentwurf geht in Produktion. Der Wettbewerb feiert junge Designer und hilft ihnen, in der Branche Fuß zu fassen. Und uns dient er natürlich als Talentschau! Die Nachwuchstalente nehmen wir dann als feste Designer in unser Design-Team auf. Das ist der Beginn eines wirklich bereichernden gemeinsamen Weges.
360: Bolia wurde 2000 mit einem Online-Auftritt gegründet. Das iPhone kam 2007 auf den Markt. Seither hat sich das Internet radikal verändert. Ihnen ist es gelungen, stets mit der Entwicklung Schritt zu halten. Wie?
LLH: Ich sage immer, dass wir zur einen Hälfte eine Design- und zur anderen Hälfte eine Tech-Firma sind. Die Energiequelle für beide Bereiche – Technologie und Design – ist die menschliche Kreativität. Diese Kreativität fließt entweder in das Design und die Produktentwicklung oder in die technologische Entwicklung. Uns geht es immer darum herauszufinden, wie wir Dinge mithilfe von Technologie smarter gestalten können. Diese Haltung ist Teil unserer Unternehmenskultur: Wir wissen, dass wir nie am Ziel sind. Wir sind begeistert von unserer aktuellen Kollektion, aber die nächste wird besser sein. Unsere IT-Plattform ist das Beste, was wir je entwickelt haben. Aber sie ist erst der Anfang.
360: Was inspiriert Ihr Team heute und jetzt?
LLH: Das nächste große Thema, an dem wir arbeiten, läuft intern unter dem Begriff Mutter Natur. Wir versuchen, neue Wege der Übersetzung von Natur in Design zu finden. Ich verspreche Ihnen, das wird das Beste, was wir je gemacht haben. Im Grund erzählen wir eine authentische Geschichte über die von uns ausgewählten Materialien und unseren Umgang mit ihnen, mit dem Ziel, Natur durch Design lebendig werden zu lassen. Alles ist einfach und schön.

360: Welchen Einfluss hat Ihre physische Umgebung auf Ihre Arbeit?
LLH: Alle zentralen Unternehmensbereiche sind in unserem Büro in Dänemark angesiedelt. Für mich ist es wichtig, dass die Zentrale von Bolia direkt über einem unserer Concept-Stores liegt. So werden die Mitarbeiter jeden Tag daran erinnert, dass es nicht darum geht, was im Büro geschieht, sondern darum, was im Erdgeschoss zu sehen ist. Direkt unter uns sind die Kunden und Verkäufer, die uns Feedback zu unseren Designs geben. In unserem Concept-Store testen wir verrückte Ideen. Mit unseren Produkten stehen wir in täglichem Kontakt. Direkter kann Feedback nicht sein. Aber genau das finden wir toll.
Und Achtung, wir sind in der Lifestyle-Branche unterwegs. Wir müssen inspirieren. Bei jeder neuen Kollektion gestalten wir alle 58 Stores und unsere Zentrale um, zweimal im Jahr, das kostet richtig viel Geld. Unsere Arbeitsumgebung muss inspirieren, vibrieren, aktuell sein, wie unsere Stores. Daher übernehmen wir viele Elemente aus unseren Stores vom Kaffee bis zur Musik eins zu eins in unserer Zentrale. Wir haben auch ein paar Überraschungen eingebaut. In der Mitte unseres Mitarbeiterraums hängt eine riesige Discokugel. Ein Griff zum Lichtschalter, und unser Mitarbeiterraum verwandelt sich in einen Nachtclub.
Wir haben also auch richtig Spaß miteinander! Weitere Informationen zu der kuratierten Exklusiv-Kollektion mit Sofas, Sesseln und Tischen von Bolia im Rahmen der Partnerschaft mit Steelcase finden Sie online.
Lars Lyse Hansen ist CEO von Bolia International A/S. Seine lange und inspirierende Karriere im internationalen Einzelhandel und elektronischen Handel führte Lars nach Europa, in den Nahen Osten und nach Asien, bevor er zu Bolia kam. Dort bereitete er den Weg für erfolgreiche Ergebnisse, die globale Expansion des Unternehmens und neue kreative Perspektiven. Neben seiner Leidenschaft für nordisches Design, Kreativität und zufriedene Kunden brennt Lars für die Musikproduktion, das Bergsteigen und seine Familie. Zusammen mit seiner Frau, der Fotografin Christina Greve, den drei gemeinsamen Kindern und zwei Hunden genießt er das Leben.