Mensch + Umwelt

The Purpose Revolution – Die Suche nach Sinnhaftigkeit

Wie ein innovativer Ansatz zur Unterstützung der Gemeinschaft zu nachhaltigem Wandel und engagierten Angestellten führt

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Es macht einen Unterschied, ob man Geld spendet oder seine Zeit zur Verfügung stellt. Und es macht auch einen Unterschied, ob man ein paar Stunden seiner Zeit zur Verfügung stellt oder stattdessen mit einem Team Lösungen entwickelt, von denen Menschen viele Jahre profitieren werden. Darum geht es bei sozialer Innovation.

Kim Dabbs, Director of Social Innovation and Engagement bei Steelcase hat das letzte Jahr damit verbracht, in ihrer Funktion eine Kultur der Autonomie und Selbstbestimmung (Empowerment) und Gemeinschaft zu kultivieren. Sie beschreibt diesen neuen Ansatz zur Einflussnahme auf die Gemeinschaft (Community Impact) als einen Weg, von dem Steelcase und die Gemeinden, in denen die Angestellten des Unternehmens leben und arbeiten, gleichermaßen profitieren. Sie hat mit dem 360° Team darüber gesprochen, wie sie ein ganzes Portfolio zur Einflussnahme nutzt – neben traditionellen Modellen auch neue, skalierbare Systeme und Methoden für nachhaltigen sozialen Wandel, die heute bereits in vielen Gemeinden weltweit positive Veränderungen erzielen.

360: Können Sie uns ein paar Beispiele nennen, die verdeutlichen, wie soziale Innovation sich auswirkt?

Kim Dabbs: Unser Augenmerk liegt auf der Etablierung von Partnerschaften sowie besserer Schulbildung und mehr Gleichberechtigung. Wir möchten einerseits positive Veränderungen für die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, erreichen und gleichzeitig die Umwelt schützen. Als einer unserer Mitarbeiter eine Möglichkeit sah, Textilreste sinnvoll zu nutzen, haben wir einen lokal ansässigen Unternehmer um Hilfe gebeten. So entstand eine Partnerschaft mit Janay Brower, dem Inhaber von Public Thread in Grand Rapids, Michigan. Das Unternehmen nutzt Textilausschuss, um Computertaschen und Laptophüllen herzustellen, die wir Kunden und Designern, die Steelcase besuchen, als Geschenk mitgeben. Public Thread bietet Mitgliedern unserer Gemeinde in West Michigan existenzsichernde Löhne und Schulungen im Nähen an Industrie-Nähmaschinen. Wir reduzieren unseren Ausschuss und können über die entstehenden Produkte unsere schönen Stoffe zur Schau stellen. Die Auswirkungen dieser gemeinsamen Initiative sind nicht nur kurzfristig spürbar, sondern bewirken für viele Jahre etwas.

In Indien ist Steelcase mit Everybody Can Change By Design (ECBD) eine Partnerschaft eingegangen, die Kinder aus benachteiligten Gemeinden dabei unterstützt, mithilfe von Design Thinking Probleme aus ihrem direkten Lebensumfeld zu lösen. Fast 300 Kinder und Jugendliche haben kürzlich an einem Programm teilgenommen, im Rahmen dessen sie 24 neue Lösungen für Probleme, denen sie im Alltag begegnen, geschaffen haben. Es handelte sich um Probleme wie Wasserknappheit und das Fehlen eines Rückzugsortes, um zu Hause in Ruhe zu lernen. Sie hatten z.B. die Idee, eine Gemeinschaftsbibliothek zum Austausch von Büchern zu gründen und ein System zur Wassersammlung und -speicherung zu entwickeln. Wir nutzen unser einzigartiges Wissen über Methoden zur Innovation und das entsprechende Mindset und zeigen unseren Angestellten, wie sie es an die Gemeinden weitergeben können. Jetzt sehen die Kinder und Jugendlichen, dass sie Einfluss nehmen können und bringen Veränderungen voran.

Das Unternehmen Public Thread aus Michigan nutzt Textilreste von Steelcase, um Computertaschen und Laptophüllen herzustellen, die Steelcase Kunden und Designern schenkt.

360: Inwiefern unterscheidet sich soziale Innovation von anderen Methoden, Einfluss auf die Gemeinschaft zu nehmen?

KD: Soziale Innovation ist die natürliche Antwort auf globale Veränderungen. Steelcase bleibt den Grundprinzipien darüber, wie wir mit der Gesellschaft in Dialog treten, treu. Aber mit sozialer Innovation können wir mehr in unsere Gemeinschaft investieren, ihre Belange in unserer Arbeit miteinbeziehen und sie im Unternehmen zu einem festen Bestandteil machen. Diese drei Faktoren bieten einen soliden Ansatz für ein Konzept zum sozialen Wandel, das in jedem der Bereiche für nachhaltige Entwicklung gemäß der UN greift, auf die wir uns konzentrieren.

Als wir angefangen haben darüber nachzudenken, wie wir dies bei uns umsetzen wollen, haben wir uns mit möglichst vielen unterschiedlichen Interessengruppen auseinandergesetzt, u.a. unseren Forschern, Angestellten und Menschen aus den uns umgebenden Gemeinden. Es zeigte sich, dass es Schnittstellen gab, an denen wir ansetzen konnten, um dort innovativ tätig zu sein und so die Wirkung der Arbeit für die Gemeinden zu verstärken. Wir konnten uns auch vorstellen, uns mit anderen zusammenzuschließen, was wir mithilfe von Design Thinking in die Tat umsetzten. Je mehr wir vorankamen, umso mehr Eigendynamik entstand. Wir versuchten zu verstehen, wann genau der Moment der einschneidenden Veränderung war, ab dem wir nicht mehr nur einen Dienst leisteten, sondern wirklich tiefgreifend Einfluss nehmen konnten.

360: Wie begründen Sie die Wichtigkeit sozialer Innovation in Bezug auf den Unternehmensprofit?

KD: Soziale Innovation ist nicht aus dem Geschäftsleben herausgelöst. Sie ist ein Teil davon. Alles, was wir tun, alles was wir als Unternehmen entwickeln, hat Einfluss auf die Welt. Sicherzustellen, dass unsere Richtlinien, Vorgehensweisen und Partner ganzheitlich ausgerichtet sind – sowohl innerhalb von Steelcase als auch außerhalb – ist das Wichtigste und wesentlich für unsere Arbeit. Ein Beispiel ist unsere Partnerschaft mit Talent 2025. Diese Vereinigung ermöglicht uns, Informationen über Grundsätze und Vorgehensweisen im Personalwesen zu teilen und zu sammeln, die wir dann bei Bedarf auch im eigenen Unternehmen nutzen können. Soziale Innovation ist also ein fundamentaler Bestandteil dessen, wie wir geschäftlich tätig sind und ist in der DNA unseres Unternehmens verankert. Steelcase blickt auf eine lange Geschichte der sozialen Innovation zurück – allerdings gab es früher noch keinen Namen für diesen Ansatz.

360: Welche Rolle spielt soziale Innovation für die sogenannte ‚Purpose Revolution‘, also den Wunsch nach Sinnhaftigkeit bei der Arbeit?

KD: Wir sind gerade an einem Wendepunkt, denn die kommende Angestelltengeneration will mehr. Die zukünftigen Mitarbeiter suchen nicht nur selbst die Möglichkeit, sich sinnvoll einzubringen, sondern möchten für Unternehmen arbeiten, die das Richtige tun. Und wir möchten diese Menschen auf uns aufmerksam machen, sie einstellen und sie ans Unternehmen binden. Wer wir als Unternehmen sind und wie wir geschäftlich tätig sind, ist maßgeblich dafür verantwortlich, ob Sinnhaftigkeit empfunden wird. Ich glaube, es ist gleichermaßen wichtig, dass unser Handeln einerseits dem entspricht, was wir tun wollen und wer wir sind und wir andererseits zahlreiche, bedeutsame Möglichkeiten bieten, wie sich die Menschen einbringen können.

360: Welches Feedback erhalten Sie von den Angestellten, die an diesen Initiativen beteiligt sind?

KD: Egal, an welchen Standort ich komme, ich verlasse ihn mit unbändigem Stolz. Wie sich die Angestellten für die Menschen in ihren Gemeinden einsetzen überwindet kulturelle und geographische Brücken und geht über die Grenzen der Gemeinden selbst hinaus. Die Fähigkeit der Mitarbeiter einfach loszulegen, die Bedürfnisse ihrer Gemeinden zu erkennen und Ressourcen zu mobilisieren, ist schön mitanzusehen.

In Rumänien, in Cluj, hat unser Team erkannt, dass es wichtig war, junge Mädchen zu bestärken und zu mehr Gleichberechtigung in ihrer Gemeinde beizutragen. Das Team arbeitete mit einem lokalen Partner zusammen und entwickelte ein einwöchiges Camp zur Stärkung der Mädchen, ‚Camp Ignite‘ genannt. Mitglieder des Steelcase Teams verbrachten eine Woche damit, ein Zulieferungs- und Unterstützungssystem für das Camp zu entwickeln. Häufig kommen unsere Angestellten auf mich zu, umarmen mich und sagen: „Aus diesem Grund arbeite ich bei Steelcase. Weil wir die Möglichkeit haben, solche Dinge zu tun.“ Ich finde das absolut großartig. Wir verfolgen nicht nur einen innovativen und gemeinschaftlichen Ansatz, um sozialen Einfluss auszuüben, sondern geben unseren Mitarbeitern darüber hinaus auch die Freiheit und Flexibilität herauszufinden, wie sich dies auf lokaler Ebene auswirkt.

360: Nachhaltige Entwicklung zu betreiben und neue Wege zu schaffen, um schwerwiegende Probleme zu lösen erfordert erhebliche Investitionen. Wie reagiert ihre Umwelt auf diesen neuen Ansatz?

KD: Innovation ist nie einfach. Zusammen mit den lokalen Gemeinden gehen wir die schwerwiegendsten Probleme der Welt an. Es ist aber auch so, dass wir immer deutlich mehr Freiwillige haben, die helfen wollen, als lokale Organisationen, mit denen diese zusammenarbeiten könnten. Ich finde, das zeigt, was für Menschen wir im Unternehmen haben und für welche Werte unser Unternehmen steht.

„Die nächste Angestelltengeneration wird nicht nur die Möglichkeit haben wollen, sich einzusetzen, sie wird sie einfordern, denn so stellt sich die Suche nach Sinn in Zukunft dar.”

Haben wir uns für den einfachsten Weg entschieden? Nein. Aber keine der Angelegenheiten, die wir in Angriff nehmen, ist einfach zu lösen. Haben wir uns für einen Weg entschieden, der die Welt zu einem besseren und gerechteren Ort macht? Auf jeden Fall.

Freiwillige Helfer von Steelcase bauen zusammen mit der Organisation TECHO ein Haus in Monterrey, Mexiko.
Steelcase hat mit TECHO zusammengearbeitet, um der Organisation dabei zu helfen, einen Weg zu finden, ihr Modell der Freiwilligenarbeit auf konsistente Weise weiter zu vergrößern.

360: Wenn Sie sich mit Angestellten darüber unterhalten, wie sich ihre Mithilfe auf sie selbst und die Menschen, denen sie helfen, auswirkt, was antworten sie Ihnen?

KD: Sie sind sehr glücklich darüber, die Möglichkeit zu erhalten, innovative Methoden, Denkweisen und neue Handlungsansätze kennenzulernen. Normalerweise haben sie im Alltag nicht die Gelegenheit, sich über eine alternative Zukunftsgestaltung Gedanken zu machen. Die Auswirkungen sind für sie wirklich tiefgreifend und die Möglichkeit, die Gemeinschaft wirksam zu unterstützen, lässt eine Eigendynamik entstehen.

In Monterrey, Mexiko, haben unsere Mitarbeiter mit der Organisation TECHO zusammengearbeitet und Häuser für Notleidende errichtet. Dies geschah im Rahmen eines Wochenendprojekts. Solche Projekte werden wir auch weiterhin durchführen. Aber wir haben unsere Angestellten auch gefragt: „Wenn ihr problemlos Zugriff auf alle Ressourcen und Talente bei Steelcase hättet, welchen Themen würdet ihr euch dann widmen?“ Es zeigte sich, dass die Arbeit als freiwillige Helfer ihnen keine Probleme bereitete. Was sie brauchten, war eine Strategie, um ihr Freiwilligenmodell auf eine Art und Weise auszuweiten, die Konsistenz und Vertrauen schafft. So etwas kann nicht entstehen, wenn jedes Wochenende eine neue Organisation mithilft. Wir ließen sie dann mit unserem Learning Team zusammenarbeiten und verschiedene skalierbare Modelle entwickeln, mithilfe derer man die freiwilligen Helfer schult und so ein durchgängiges Konzept schafft. Anstatt also einmalig an einem Hausbau-Projekt teilzunehmen, haben wir Fähigkeiten, Wissen und Expertise innerhalb der Organisation etabliert, wozu die Beteiligten alleine keine Kapazitäten hatten.

360: Wie beurteilen Sie, ob sich die ganze Arbeit im Rahmen von sozialer Innovation auszahlt?

KD: Wie bei jedem anderen offenen Innovationsprojekt gibt es hier keine einfache Antwort. Wir sind Verfechter von Verfahrensmodellen und dem Testen neuer Ideen innerhalb von Unternehmen. Hierbei geht es darum, möglichst viele verschiedene Lösungen zur Verfügung zu stellen, um ein großes, schwerwiegendes Problem zu lösen. Das übergeordnete Ziel ist es, dabei etwas zu lernen. Es kann sich um einen Design-Wettbewerb handeln, aber was wir uns davon erhoffen, ist, dass die Innovationskultur im Unternehmen anhaltend besteht. Wenn dies oder mehr umgesetzt wird, dann waren wir erfolgreich.


Kim Dabbs ist Director of Social Innovation und Engagement bei Steelcase. Bei der Mitwirkung an der Gestaltung und Eröffnung des Learning + Innovation Center, einem der globalen Unternehmenszentren von Steelcase, hat sie es geschafft, Innovation in größerem Maßstab voranzutreiben und Programme zur Darstellung von Effektivität entwickelt. Kim arbeitet zur Zeit vor allem in Münchner LINC. Sie setzt sich leidenschaftlich für eine Kultur der Gleichberechtigung und Chancen ein und nutzt diese Zielsetzung bei der Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen, um Transformationsprojekte auf der ganzen Welt voranzubringen.

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